Online-Selbsttests für bipolare Störungen sind immer beliebter geworden. Sie bieten Betroffenen erste Einblicke in ihre mentale Gesundheit. Diese Tools sollten jedoch mit Vorsicht verwendet werden – sie sind lediglich ein Einstieg in professionelle Hilfe, keinesfalls eine Diagnose.

1. Was ist eine bipolare Störung?
Eine bipolare Störung ist eine komplexe affektive Erkrankung, bei der sich Stimmung, Energie, Aktivität und Alltagsfähigkeit dramatisch verändern. Es gibt drei Haupttypen:
Bipolar-I-Störung: Vollständige manische Episoden über mindestens sieben Tage oder sehr schwerwiegende Manien, die eine Hospitalisierung erfordern, oft gefolgt von depressiven Phasen.
Bipolar-II-Störung: Wechsel zwischen depressiven Episoden und Hypomanie, jedoch ohne Vollmanien.
Zyklothyme Störung (Zyklothymie): Häufige Hypomanie- und leichte Depressionsepisoden, aber weniger ausgeprägt und kürzer als bei Bipolar-I oder II.
Manische Symptome: Erhöhte Stimmung, überhöhtes Selbstwertgefühl, verringertes Schlafbedürfnis, schnelles Sprechen, rasende Gedanken, Ablenkbarkeit, gesteigerte zielgerichtete Aktivitäten sowie riskantes Verhalten.
Depressive Symptome: Andauernde Traurigkeit, Energielosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Hoffnungslosigkeit und Gedanken an Tod oder Suizid.
Weltweite Verbreitung: Laut WHO sind ungefähr 45 Millionen Menschen betroffen. Die Krankheit beginnt meist in der späten Adoleszenz oder im frühen Erwachsenenalter und kann ohne Behandlung stark beeinträchtigend sein.
Auswirkungen im Alltag: Unbehandelt leiden Erwachsene mit bipolarer Störung oft unter instabiler Arbeitsleistung, Beziehungsproblemen und einem gestörten Alltag – das schwankende Stimmungsmuster belastet Identität, soziale Interaktion und Lebensqualität.
2. Wie funktionieren Online-Tests für bipolare Störungen?
Aufbau
In der Regel beinhalten diese Tests 10–25 Multiple-Choice- oder Likert-Skala-Fragen zu:
Stimmungsschwankungen
Schlafgewohnheiten
Impulsivität
Konzentration
Energielevels
Beispielfragen:
„Hast du dich irgendwann so euphorisch oder reizbar gefühlt, dass andere es bemerkten?“
„Gab es Zeiten mit anhaltend niedriger Energie über mehrere Tage?“
„Hast du manchmal unkontrolliert rasende Gedanken?“
Auswertung
Ergebnisse zeigen meist drei Kategorien:
Geringe Wahrscheinlichkeit für bipolar
Mäßige Indizien – weitere Abklärung empfohlen
Hohe Wahrscheinlichkeit – professionelle Beurteilung dringend nötig
Einige Tests orientieren sich klinisch am Mood Disorder Questionnaire (MDQ).
Zuverlässigkeit
Tests von Wissenschafts- oder Gesundheitsinstitutionen orientieren sich an klinischen Standards. Viele Web-Quizzes auf populären Seiten sind jedoch nicht wissenschaftlich abgesichert.
3. Schnellcheck: 10 Fragen zur Reflexion
Dieser Selbsttest ist kein Diagnoseinstrument, sondern regt zur Reflexion an. Beantworte im Bezug auf deines üblichen Befindens im letzten Jahr:
Hattest du längere euphorische oder „energiereiche“ Phasen ohne klaren Grund?
Warst du energiegeladen und hast dabei wenig geschlafen, ohne dich müde zu fühlen?
Hast du sehr viel mehr gesprochen als gewöhnlich oder kamst kaum zum Aufhören?
Hast du spontan große Projekte gestartet und später das Interesse verloren?
Hast du rasende Gedanken erlebt, die Konzentration und Schlaf behinderten?
Hattest du über mehrere Tage tiefe Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit oder Interesselosigkeit?
Wechseltest du zwischen sehr energisch und sehr niedergeschlagen?
Beeinträchtigten diese Stimmungsschwankungen dein Privatleben oder deine Arbeit?
Sagte jemand, du seist „zu energiegeladen“, „zu traurig“ oder „nicht du selbst“ gewesen?
Hat ein Arzt oder vertrauter Mensch dir nahegelegt, dass du eine Störung des Gemüts haben könntest?
Bewertung:
0–2 „Ja“ → normale Stimmungsschwankungen
3–5 „Ja“ → Hinweise auf bipolare Tendenzen – Beobachtung oder Gespräche sinnvoll
6+ „Ja“ → deutliche Stimmungsmuster – Empfehlung: professionelle Psychiatrie oder Psychotherapie
Wichtig: Der Test ersetzt keine fachliche Diagnose. Symptome können auch zu Depression, ADHS oder PTBS gehören.
4. Was ist der nächste Schritt?
Nicht in Panik geraten – planen
Nutze das Ergebnis als Gesprächsbasis mit einem Facharzt oder Therapeuten.
Suche fachliche Diagnose
Psychiater und Psychologen führen strukturierte Gespräche, Lebensgeschichten und diagnostische Verfahren durch, um:
Episodenverlauf zu prüfen
Symptomdauer und -häufigkeit einzuschätzen
Familienvorgeschichte und Begleiterkrankungen zu bewerten
Hilfreiche Fragen an den Arzt/Therapeuten:
„Welche anderen Ursachen könnten hinter meinen Symptomen stecken?“
„Brauche ich weitere Tests oder Beobachtungsmethoden?“
„Welche Therapieformen oder Medikamente wären sinnvoll?“
Stigma entgegenwirken
Ein Diagnoseschild hilft beim Verständnis und der Heilung – es ist kein Makel. Offene Gespräche fördern gesellschaftliche Akzeptanz.
5. Beliebte Online-Selbsttests im Überblick
Mood Disorder Questionnaire (MDQ)
• Klinisch validiert für Bipolar I & II.
Pluspunkt: fundiert und wissenschaftlich anerkannt.
Minuspunkt: formeller Ton, weniger zugänglich.PsychCentral Bipolar Test
• Nutzerfreundlich und einfach.
Pluspunkt: leicht verständlich.
Minuspunkt: klinisch nicht validiert.Mind Diagnostics Bipolar Test
• Moderne Oberfläche, persönliche Berichte.
Pluspunkt: freundlich und unterstützend.
Minuspunkt: keine medizinische Tiefe.MedCircle Bipolar Quiz
• Schnelle Einführung in wenigen Minuten.
Pluspunkt: simpel und einsteigerfreundlich.
Minuspunkt: fehlende wissenschaftliche Grundlage.Verywell Mind Bipolar Quiz
• Realistische Symptom-Szenarien mit empathischer Sprache.
Pluspunkt: ausgewogen und sensibel formuliert.
Minuspunkt: moderate diagnostische Genauigkeit.
6. FAQs – Häufige Fragen zu Online-Selbsttests
Kann ich den Tests vertrauen?
Nur als erste Orientierung. Fachlich fundierte Tests helfen, ersetzen aber keine klinische Diagnose.
Sind solche Tests für Jugendliche sicher?
Im Allgemeinen ja – jedoch sollte eine Erwachsener begleiten und ein Facharzt hinzugezogen werden.
Soll ich das Ergebnis teilen?
Mit Vertrauenspersonen oder Therapeuten: ja. Als alleinige Diagnose: nein.
Warum bekomme ich verschiedene Ergebnisse bei unterschiedlichen Tests?
Stimmung, Stresspegel oder Frageformulierungen beeinflussen die Antworten. Konsistenz ergibt sich eher durch professionelle Beratung.
7. Fazit
Online-Tests zur bipolaren Störung können zur Selbsterkenntnis beitragen, dürfen jedoch kein Ersatz für eine echte Diagnose sein. Sie bilden den Ausgangspunkt für Gespräche, nicht die Antwort. Wenn du Unsicherheiten bemerkst, suche professionelle Unterstützung – echte Klarheit entsteht durch Empathie, Dialog und fachspezifische Betreuung.